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06.07.2015 Kettle Falls nach Republic
Ok. Lust hatte ich keine, aber es nützt nichts. Ich muss den nächsten Gebirgsrücken überqueren. Gut. Ich könnte auch ganz gemütlich den Columbia River entlang fahren und mich auf diese Art ganz einfach aus der Affäre stehlen, aber da ich schon mal beschlossen hatte den NT bis zum Ende zu fahren …
Also bin ich gegen 8:30 Uhr losgefahren. Vorbei an einem riesigen Sägewerk, das mich irgendwie noch die nächsten beiden Tage verfolgen wird.
Jedenfalls habe ich nach ein paar Kilometern an einer Tankstelle noch meine Snickers und Süßigkeiten-Vorräte aufgefüllt. Die Kalorienbomben bringen mich im Zweilfel immer über den Berg, wenn das Frühstück versagen sollte.
Auf halbem Weg zum Sherman Pass habe ich mich mit Dave unterhalten. Der fährt auch den NT, war aber erst seit einer Woche unterwegs, von West nach Ost. Jedenfalls hatte der auch die drei Jungs getroffen, und wusste, dass die nur einen einzigen Ruhetag eingelegt hatten. Hoho. Da bin ich doch in einer viel besseren Position. Ich hab für die gleiche Strecke ungefähr doppelt soviel Zeit.
Gut. Weiter. Der Pass war dann noch eine rechte Qual. Ich dachte zwischendurch immer wieder mal, dass ich es gleich hätte, aber wie am Berg üblich, der aktuelle Anstieg ist nur der Weg zum nächsten.
Den ganzen Tag über haben mich die Holztransporter genervt. Die fahren echt wie bescheuert. Und irgendwie wird es einem schon anders, wenn ein voll beladener Holztransporter mit Vollgas um die Kurve kommt. Und die leeren kommen dann noch von hinten und überholen auf der nicht zu breiten Bergstraße ohne auch nur ein bisschen vom Gas zu gehen. Aber gut. Das sind Berufskraftfahrer. Sag ich mir immer. Nerviger sind eigentlich die Freizeitfahrer mit ihren riesigen RVs. Die sind so groß wie bei uns Reisebusse, ernsthaft, und am Steuer sitzt ein Greis, bei dem bestimmt keiner geprüft hat ob er noch sieht oder der nicht weiß dass er vergessen hat die Steighilfe für seine besser Hälfte wieder einzufahren. Wie oft habe ich dann von hinten gesehen, dass auf Wadelhöhe eine Treppenstufe aus dem Fahrzeug raussteht.
Irgendwann war dann der Pass geschafft. Danach ging es ohne Ende runter. Das entschädigt dann für die Qualen. Ich muss dann immer an Gottes letzte Botschaft denken.
Später habe ich auch noch einen älteren Radler getroffen. Er machte gerade rast vor dem Anstieg in Richtung Sherman Pass. Es standen ihm noch ca. 600 hm ununterbrochen bergauf bevor. Er meinte er würde langsam zu alt dafür und dass er in Rente wäre.
Er war mit einem Tandem unterwegs, was mich gewundert hat, ich hab schon die ganze Zeit gewartet, dass jemand aus den Büschen kommt, bis er mir sagte, ohne dass ich ihn auf das Tandem angesprochen hatte, dass letztes Jahr seine Frau an Krebs gestorben ist und dass er damit darüber hinwegkommen möchte.
Am Ende des Tages habe ich mich auf dem Campground, ich nenne es mal so, in Republic eingefunden. Es war wirklich nicht leicht das Ding zu finden und es war überhaupt nicht leicht dorthin zu kommen. Der Campground liegt ganz am Ende einer unverschämt steilen Schotterpiste, die ich mit beladenem Rad nur sehr schwer fahren konnte, weil abwechselnd immer das vordere oder das hintere Rad wegging. Hinten wenn ich in die Pedale getreten habe, und vorne wenn ich vor lauter Schreck kurz nachgelassen habe.
Meine 10 Dollar habe ich wie geheißen in den dafür vorgesehenen Briefkasten gesteckt. Eine Anmeldung ausfüllen musste ich nicht. Aber es war eine Dusche vorhanden, wenn ich mich jetzt richtig erinnere sogar kostenlos. Aber alles extrem rustikal. Schwamm drüber. Am Ende des Tages ist man immer unendlich glücklich da zu sein. Egal wo.
Irgendwann kam dann auch der Manager des Campgrounds angegefahren, auf seinem Rasenmäher. Zuerst dachte ich er kann nicht gehen, weil jede Schnecke wäre schneller gewesen als das Gefährt und zwar ohne den höllischen Lärm zu verbreiten, und von Gras war auch nichts zu sehen, zumindest kein grünes, frisches, das gemäht hätte werden müssen. Jedenfalls habe ich schon gesehen, dass er auf mich zukommt. Ich konnte dann noch in Ruhe fertig essen und das Kapitel fertig lesen bevor er bei mir ankam. Aber am nächsten Tag habe ich ihn dann doch laufen gesehen.
Jedenfalls haben wir noch ein bisschen geratscht. Ich hab ihn auch gefragt, ob es regnen wird, weil ganz schön viele Gewitterwolken aufgezogen waren. Er meinte aber dass nicht. Ich habe trotzdem mein Außenzelt übergezogen. Ich traue dem Ganzen hier nicht. In den letzten Tagen habe ich nur mit Innenzelt geschlafen. Das Zelt ist schneller auf und abgebaut und kühlt schneller aus. Es regnet bestimmt in der Nacht.
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05.07.2015 Ruhetag Kettle Falls Campground
Vor dem gefürchteten Climb auf und über den Sherman Pass, der mich von aktuell ca. 350 auf 1725 Höhenmeter bringen wird, habe ich mir mal wieder einen Ruhetag verdient.
Ich hatte schon besser Lokations dafür, aber ohne Wahl keine Qual.
Gegen 10 Uhr Vormittag bin ich in den ca. 10 km entfernten Ort gefahren um mir WLAN und etwas zum Essen, besser gesagt neue Vorräte zu suchen.
Beides war erstaunlich einfach. Zum einen hatte die Visitor Information geöffnet. In diesem Fall, wie fast immer, sogar mit freiem WLAN. Dort habe ich einige Zeit verbracht und mal wieder einen Blick in die Welt gewagt. Scheint ja doch immer wieder was zu passieren.
Jedenfalls kamen in Laufe des Tages etwa 20 Personen, die ausnahmslos alle wegen WLAN hier waren. Darunter auch einige, die ihre Laptops ausgepackt, und es sich dort gemütlich gemacht haben. Offensichtlich Stammgäste, die dort regelmäßig aufschlagen.
Was ich auch gelernt habe, zumindest für die Zukunft, niemals ohne Netzteil aus dem Haus gehen. Hier, wie auch in den meisten anderen Örtlichkeiten, an denen man freies WLAN bekommt, wie z.B. Mc D oder Public Libraries, bekommt man auch freien Strom. Eine Ressource, die immer knapp ist, auch wenn das Handy bei längeren Touren am Fahrrad geladen wird. Aber das Tablet frisst ganz schön Strom, und der will dann erstmal geerntet werden.
Trotz des Day After hatte sogar der Supermarkt offen, so dass ich auch meine Vorräte wieder auffrischen konnte.
Nachdem ich mir etwas kaltes zu trinken besorgt hatte, habe ich mich noch ein paar Minuten in den Stadtpark gesetzt. Plötzlich standen drei Burschen mit ihren Fahrrädern vor mir. Offensichtlich Radreisende. Die drei waren etwas komisch, jedenfalls nicht meine Kragenweite, aber in dem kurzen Gespräch hat sich herausgestellt, dass sie den Northern Tier komplett von Atlantik bis Pazifik fahren, fast könnte man sagen, gefahren sind. An dem Tag waren sie 47 Tage unterwegs. Der Northern Tier ist insgesamt ungefähr 4250 Meilen lang, also nicht ganz 7000 km. Davon hatten sie ungefähr 6600 hinter sich. Das macht einen netten Tagesschnitt von 140 km. Respekt!
Der Campground selber ist nicht unbedingt zu empfehlen. Mit 26 Dollar schon eher teuer und dann auch noch ohne Dusche. Die einzige Möglichkeit zu duschen, ist ca. 2 km weiter auf einem RV Park, für happige drei Dollar. Die Dusche ist dafür aber mit Flair, wie man es eher von einem englischen Bed and Breakfast erwarten würde.
02.07.2015 bis 04.07.2015 Sandpoint bis Kettle Falls
Am 02.07. habe ich mit meiner Ankunft in Newport die Grenze von Idaho nach Washington überquert.
Es war schon ganz deutlich die Ankunft des 4th of July zu spüren. Erst auf dem dritten Campground, einem der Nationalforstverwaltung, gelang es mir einen Platz zu finden, den letzten, den ich auch nur bekam, nachdem ich dem Campground Manager versprochen hatte am nächsten Tag wieder zu fahren.
Am Morgen des dritten Juli kam dann ein Ranger zu mir, hat mir dazu gratuliert dass ich den Platz noch bekommen habe, und hat zusammen mit mir eine Strategie für den heutigen ausgearbeitet, indem er mir einige Tipps gab, wo ich, wenn überhaupt, noch einen Platz finden werde. Leo Lake war sein Tipp. Am ehesten dort. Er fährt nämlich auch Rad, deshalb hatte er sich mir angenommen. Sehr nett.
Leo Lake wurde es dann auch. Wieder der letzte Platz. So ein Dussel. Ich hatte aber schon ein paar Stellen in der Karte identifiziert, die ich als Ersatz angesteuert hätte. Ich bin nicht sicher, ob ich das schon erwähnt habe, aber in den Nationalwäldern darf jeder überall übernachten. Es gibt unter Umständen für einzelne Bereiche wieder gesonderte Regeln, aber im Prinzip ist es da fast wie in Schweden. Jedermannsrecht.
Am 04.07. habe ich mich dann auf den Weiterweg gemacht, obwohl ich kurz überlegt habe, noch einen Tag hier zu bleiben. An dem Tag scheint sich ja die ganze Nation in Aufruhr zu befinden, daher dachte ich, dass es vielleicht gut wäre den Platz zu behalten, wenn ich denn schon mal einen habe.
Egal. Wer wagt gewinnt. Auf dem Weiterweg wurde ich von zwei Typen aufgehalten, die am Straßenrand im Schatten saßen und einen völlig zerstörten Wald bewundert haben. Zwei oder drei Tage vorher war hier ein Tornado durchgefegt und hatte den Wald völlig niedergemacht.
Wir haben ein bisschen gequatscht. Die beiden haben mir dann noch gesagt, dass man auf dem Messegelände in Colville umsonst campen kann.
In Colville selber habe ich das Messegelände aber nicht gefunden, obwohl ich mehrmals der Ausschilderung gefolgt bin. Später habe ich dann erfahren, dass genau dort das Feuerwerk zum 4ten Juli abgehalten wurde. Schon wieder Glück.
Jedenfalls habe ich mich dann vor der Hitze in den Mc D geflüchtet. Für einen Dollar soviel eiskalte Softdrinks trinken, bis man vor lauter Wasserbauch nicht mehr an den Getränkespender kommt. Das ganze noch mit Internetzugang in einer klimatisierten Umgebung. Was will man mehr bei 40 Grad Außentemperatur? Mc D hat sich in diesen heißen Tagen echt als rettende Zuflucht etabliert.
Vor dem genannten Zufluchtsort jedenfalls habe ich einen Finnen getroffen, mit dem ich mich noch ein bisschen unterhalten habe. Der hat mir zwei Orte ans Herz gelegt. Winthrop und Lethbridge. Der erste sei ein echtes Westernstädtchen, alle Gebäude so wie im Film, und eine local brewery mit echt gutem Bier. Der zweite das gleiche auf bayerisch. Der erste Ort liegt auf meiner Strecke, sowieso, der zweite zum Glück weit daneben.
Nachdem ich ja mit meiner Suche nach dem Messegelände so wenig Erfolg gehabt hatte, habe ich mich auf den Weiterweg nach Kettle Falls gemacht, wo ich wusste, das es einen Campground gibt.
Auf dem Weg dahin habe ich noch einen Waldbrand gesehen, den gerade 2 Hubschrauber und 4 Löschflugzeuge bekämpft haben. Also echt Respekt vor den Piloten der Löschflugzeuge. Sieht krass spektakulär aus, wie die sich von oben herab den Berghang entlang runterstürzen, das Wasser abkippen, und kurz vor dem Talboden wieder nach oben abdrehen.

In Kettle Falls jedenfalls habe ich ohne Probleme einen Platz bekommen. Vom 4. Juli war da überhaupt nichts zu sehen, nur ganz weit entfernt hat man ein bisschen Feuerwerk gehört. Auf allen Campgrounds gilt absolutes Feuerwerksverbot. Bei der Waldbrandgefahr auch durchaus vernünftig.
01.07.2015 Ruhetag in der Nähe von Sandpoint
Nach ungefähr 450 Kilometern seit West Glacier habe ich mir wieder einmal einen Ruhetag verdient.
Eigentlich gibt es wenig zu sagen. Ich war am späten Vormittag für drei oder vier Stunden in der Stadt, wo ich ein Buch gesucht habe, das ich aber in keinem der drei Book Shops gefunden habe. Also habe ich mir einfach während einer Kaffepause bei Starbucks die Ebook Version bei Amazon gekauft und auf mein Tablet gezogen. Ein Hoch auf das Internet und den grenzenlosen Onlinehandel.
Da ich ja noch keine 3000 km Feier abgehalten hatte, habe ich mich für ein kleines Festessen im lokalen Supermarkt eingedeckt, und den Rest des Tages mit Lesen, Kochen und Essen zugebracht.
Plötzlich war ich, besser gesagt meine Parzelle auf dem Campground, von 6 oder 7 Kindern, alle auf ihren Fahrrädern, im Alter von 6 bis 8 umringt.
Die haben mir Löcher in den Bauch gefragt, ob ich mir dem Fahrrad hier bin, wo ich herkomme, ob ich auch so Sachen wie Iron Man mache, oder ob ich unglaublich stark bin.
Ja, Vancouver (Kanada, nicht Washington State, wichtig!), Ja, Ja.
Jedenfalls sind mir in dem Zusammenhang zwei Sachen aufgefallen.
Zum einen wird hier offensichtlich Kindern bereits von klein auf „No trespassing“ eingetrichtert. Die ganze Gruppe hat meine Parzelle umstellt, aber keines der Kinder hat auch nur einen Fuß darauf gesetzt. Als die Rädelsführerin der Gruppe wissen wollte, wie schnell ich denn so fahre, hat sie angesetzt, sich mit ihrem Fahrrad auf mich zuzubewegen. Hat aber sofort wieder gestoppt, und gefragt, ob sie weiter fahren darf. Erst als ich ihr erlaubt habe, meinen Grund und Boden, wenn auch nur für diesen Tag, zu betreten, ist sie weitergefahren, und wollte wissen, ob ich vielleicht „so schnell?“ fahre.
Zum anderen gibt es hier Kinder auf dem Campground. Ich kann mich jetzt echt nicht erinnern, in Kanada jemals Kinder auf dem Campground gesehen zu haben. Rückwirkend muss ich feststellen, dass in den USA, ab dem ersten Tag in St Mary, auf jedem Campground auch spielende Kinder waren. Vermutlich hängt dies nur mit irgendwelchen Ferienterminen zusammen, aber auffällig finde ich das schon.
29. bis 30.06.2015 Libby bis Sandpoint
Ein kurzes Vorwort vorneweg. Die Beiträge vom 29.06. bis 12.07. habe ich alle mehr oder weniger rückwirkend geschrieben. Ich habe mir zwar einige Notizen zu diesen Tagen gemacht, aber die meisten Artikel habe ich erst im Nachhinein ausformuliert.
Das bedeutet, dass die Beiträge zum Teil auch recht kurz ausfallen, weil ich jetzt keine Lust habe, alles nocheinmal herauszukramen. Außerdem fehlt natürlich auch das „ich muss jetzt unbedingt erzählen was mir heute passiert ist“, kurz gesagt, die Motivation.
Sind wir schon beim Thema. Ich habe zwischenzeitlich mit dem Gedanken gespielt, den Blog, oder zumindest die tägliche Erstellung von Artikeln, ganz sein zu lassen. Jetzt habe ich aber erfahren, dass bereits nachgefragt wurde, was den los ist und dass einige neue Leser dazugekommen sind.
Deshalb geht es jetzt doch weiter, wenn auch etwas zurückhaltender.
Am 29.06.2015 habe ich die 3000 km Hürde genommen. Eigentlich hatte ich bei der Ankunft in Libby schon 2095 km auf der Uhr, daher vermute ich, dass ich die 3000 irgendwo auf dem Weg zwischen Mc D und Motel, oder spätestens bei der Versorgungsfahrt zum Supermarkt genommen habe.
Also allen, die gesagt, oder gedacht haben, der macht keine 500 km, sage ich „Ha! Nimm das!“
Es war natürlich wieder ein extrem heißer Tag, an dessen Ende ich allerdings im Paradies gelandet bin. Der Zeltplatz, den ich abends erreicht hatte, war einfach der Hammer.
Eigentlich war es eine Recreation Area, die vom Landwirtschaftsministerium mitten im Nationalwald eingerichtet worden war. Üblicherweise ist auf diesen Arealen das Übernachten verboten, hier war es erlaubt.
Zuerst war ich alleine auf dem Platz, später kam noch ein Paar dazu, welches auf ihrem Weg nach Conneticut, die also den Northern Tier von West nach Ost befahren, war. Wir haben kurz geratscht, ansonsten haben wir uns auf dem weiten Areal nicht gesehen.
Der Platz hatte alles was das Camperleben angenehm und einfach macht. Toiletten, einen Food Locker für jeden, eine Feuerstelle für jeden und eine eigene Bank mit Tisch. Das ganze herrlich an einem See gelegen, der darüber hinweghalf, dass es keine Duschen gab.
Ich habe lange mit mir gekämpft, aber ich bin dann am Morgen des 30. trotzdem in Richtung Westen aufgebrochen. Mit ausschlaggebend war sicherlich auch, dass meine Biervorräte erschöpft waren, auch an eine Bestellung per Internet war mangels Netz nicht zu denken, und das Paradies mit Lagerfeuer am See ohne kaltes Bier halt doch nur ein Platz im Wald ist.
Mit der Überquerung de Grenze von Montana nach Idaho war ich auch wieder in den Bereich der Pazifik-Zeitzone geraten, musste meine Uhr also wieder eine Stunde zurück stellen.
Was habe ich mich damals gewunden, als ich in Kanada den umgekehrten Vorgang durchführen musste. Damals stand ja mitten im Nichts plötzlich ein Schild, das mich aufgefordert hat die Uhr umzustellen. Jetzt, im Zusammenhang mit der Überquerung einer Grenze, ist das ein ganz natürlicher Vorgang.
Allerdings hat mich nichts und niemand darauf hingewiesen. Einzig ein Gespräch mit ein paar Kindern vor der Bibliothek eines kleinen Ortes in Idaho, in dessen Verlauf wir uns nicht so recht über die Uhrzeit einigen konnten, hat mich auf das Problem aufmerksam gemacht. Vermutlich hätte ich meinen Rückflug verpasst. Beim Ausfüllen der Anmeldungen (self registration) auf einem Campground muss ich immer warten, bis jemand vorbeikommt, den ich nach dem Datum fragen kann. Meist liege ich einen oder zwei Tage daneben. Ist mir auch schon passiert, dass ich später merkte, dass ich das komplett falsche Datum angegeben habe. Es kam aber kein Ranger, der mich gefragt hätte, warum ich seit zwei Tagen auf dem Campground bin und nur für einen bezahlt habe.
Trotz der Verwerfung in der Raumzeit, bei Geschwindigkeiten, die dazu führen würden, dass Einstein seine Relativitätstheorie neu formulieren müsste, habe ich es dann doch bis Sandpoint geschafft.
Obwohl. Der Campground war dann etwa 8 km weiter von der Stadt entfernt als Google Maps es mir in Aussicht gestellt hatte. Raum-Zeit-Dilatation?
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Leider hat mein Handy bei der Aufzeichnung des Tracks den 30. in drei Dateien abgelegt. Also nicht wundern, wenn es hier und auf der nächsten Seite so viele Tracks gibt. Da das VI auf der Kommandozeile meines Android Handys bestimmte Befehle nicht unterstützt, bin ich aktuell leider nicht in der Lage das zu korrigieren.
26. bis 28.06.2015 West Glacier bis Sibby
Nachdem ich während meines Ruhetages in West Glacier meine Routenführung noch einmal überdacht hatte, halte ich mich jetzt im wesentlichen, wie bereits erwähnt, an den Northern Tier der Adventure Cycling Association.
Das coole daran ist, dass es dazu auch einen kleinen Film auf YouTube gibt, der im Prinzip genau die Route zeigt, die ich in den letzten drei Tagen gefahren bin, wenn auch in umgekehrter Richtung. Natürlich ist der Film ein Werbefilmchen für den ACA, aber vielleicht vermittelt er einen kleinen Eindruck, wo ich gerade unterwegs bin.
Jedenfalls macht das Fahren auf den vom ACA vorgeschlagenen Routen um einiges mehr Spaß, als auf den bisher genutzten Routen. Ein nicht ganz vorhergesehener Seiteneffekt ist allerdings, dass ich keine, oder nur noch sehr wenige, Campgrounds zur Verfügung habe. Dadurch, dass ich mich eben nicht mehr in touristisch erschlossenen, und das bedeutet hier eben auch vom Verkehr überrollten, Gebiet bewege, ist die Infrastruktur etwas eingeschränkt.
In diesen drei Tagen bin ich durch einen einzigen nennenswerten Ort, Eureka MT, gekommen. Aber selbst dort war die Infrastruktur auf einen Supermarkt beschränkt, in dem ich meine Wasservorräte auf rekordverdächtige 12 Liter aufgestockt hatte, wohlwissend was auf mich zukommt.
Campgrounds mit einer Infrastruktur wie fließend Wasser, Duschen oder gar Strom und Internet sind aktuell Fehlanzeige. In den letzten beiden Nächten habe ich mitten im Wald gecampt. Ok, letzte Nacht war es sowas wie ein Campground, d.h. es stand zumindest ein Plumsklo auf der Wiese.
Das ist ein Bild von meinem Badezimmer vom 26.06. ich hab vorher alle Bären vertrieben, aber eine Entenmutter mit ihren Küken hat es sich nicht nehmen lassen, in der Strömung Schwimmübungen mit ihren Kleinen zu machen. Der Weg hinunter zum Fluss war nicht einfach zu finden, aber jede Schramme hat sich gelohnt. Vermutlich habe ich aber flußabwärts den Salzhaushalt des Gewässers auf Jahre hinaus geschädigt.
Das ist ein Bild von meinem Campground am 27.06. der Fleck in der Mitte neben dem Baum war meine Feuerstelle. Die Campingmobile im Hintergrund waren nicht bewohnt. Keine Ahnung wo die Besitzer waren. Die Regel ist, dass man nach Aufstellen eines Camps in den ersten 24 Stunden anwesend sein muss, oder eine Sondererlaubnis vom Ranger hat. Danach kann man sein Camp insgesamt 16 Tage stehen lassen. Zum See war es von da aus noch ein guter Kilometer bergab, aber auch dieser Weg hat sich gelohnt. Nach gut 125 Kilometer in sengender Hitze macht es Freude, ein kühlendes Bad zu nehmen.
Der Vorteil meiner neuen Route ist allerdings, dass ich z.B. gestern Nachmittag, auf einer Strecke von ca. 50 km, nur 8 Autos und 2 Motorrädern begegnet bin. Ich hab extra mitgezählt. Das ist fast ein bisschen einsam.
Ich bewege mich derzeit durch National Forests. In diesen ist das Zelten, und auch das Wohnwagen, überall offiziell erlaubt, wenn man sich an ein paar Regeln hält. Die wichtigste ist wohl, keinen Müll zu hinlassen. Feuer müssen komplett gelöscht werden, bevor man sich entfernt, und sämtliches Essen muss bärensicher weggeräumt werden. Das bedeutet entweder in ein Fahrzeug einsperren, oder, in Ermangelung eines Kofferraums, auf einen Baum packen. Mindestens 3 Meter hoch und 1,5 Meter vom Stamm entfernt.
Ein weiteres Problem sind die hier im Moment herrschenden Temperaturen. Z.B. heute Nachmittag herrschten in Libby, wie ich einer elektronischen Anzeige entnehmen konnte, 106 Grad Fahrenheit, das sind gut 41 Grad Celsius. Um 16 Uhr, wohlgemerkt. Risse in der Fahrbahn sind teilweise mit einer schwarzen Masse, ich weiß nicht, ob das Bitumen ist, gefüllt. Genau das gleiche Zeug, das auch bei uns dazu verwendet wird. Jedenfalls verwandelt sich das Zeug bei den Temperaturen in eine weiche, schleimig schmierige Masse, die in Kurven schon mal dafür sorgt, dass eines der Räder weggeht. Aber dafür, sollten die Temperaturen wieder fallen, habe ich auf einigen Kilometern meine Reifenabdrücke für die Nachwelt hinterlassen.
Aufgrund der extremen Temperaturen habe ich heute bereits gegen 14 Uhr, nach gut 50 Kilometern, Schluss gemacht. Ich konnte einfach nicht mehr genug von dem lauwarmen Wasser in mich reinschütten. Ich hoffe die Lage bessert sich in den nächsten Tagen.
Jedenfalls werde ich versuchen, in zwei Tagen in Sandpoint ID zu sein. Es sind ungefähr noch 150 Kilometer bis dahin, das sollte auch unter den derzeitigen Temperaturen zu machen sein. Dort werde ich dann wieder einen Tag Pause einlegen und meine nächsten Tage planen.
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25.06.2015 Ruhetag in West Glacier
Ich war mir bis heute Morgen nicht sicher, ob ich hier einen Ruhetag einlegen soll oder nicht. Aber meine Beine haben ganz vehement dafür gestimmt. Unter Androhung von Streik.
Also hab ich meinen Aufenthalt um einen Tag verlängert. Bei 10 Dollar inkl. Dusche auch durchaus machbar.
Als am frühen Nachmittag die Sonne begann arg aufdringlich zu werden, habe ich mich auf den Weg in die Stadt gemacht. Ich wollte ein paar Lebensmittel, und eine Karte von Idaho besorgen.
Nach 15 Minuten hatte ich die ganze Stadt abgeklappert, war wirklich in jedem Laden und hatte zwar keine Karte, aber zumindest ein paar Lebensmittel. Karten gibt es hier nur vom Glacier NP. Selbst in Geschäften, die sich extra als Kartenladen bezeichnen.
Eigentlich wollte ich mir das Ganze ja noch ein paar Tage anschauen, aber nachdem heute so eindrücklich mein Eindruck der letzten zwei Tage bestätigt worden ist, muss ich jetzt mal etwas über den US amerikanischen Autofahrer sagen.
Bloody Fucking Idiot, glaube ich trifft es am besten.
Ich habe noch nie solch ignorante Arschlöcher erlebt wie hier in den letzten drei Tagen. Lass es mich mal so sagen. Wenn ein Auto, dabei handelt es sich ja fast immer um fette Trucks, bei denen die Spiegel dann noch einen halben Meter links und rechts rausragen, schließlich will man ja am Wochenende raus in die Natur und sein Camping-Wohnzimmer mitnehmen, beim Passieren eines Radfahrers auch nur einen Meter nach links ausweicht und Platz macht, dann hat es mit Sicherheit ein kanadisches Kennzeichen.
Solche Idioten gab es auch in Kanada. Ungefähr einer von 20. Hier ist das Verhältnis genau umgekehrt.
Es sind mir hier noch ein paar interessante Dinge aufgefallen, z.B. dass man hier auf dem Campground mit Wampe im hautengen Adidas Funktionsshirt mit dem Auto zum Schei… fährt. Hier gleich mal ein Tip an die Produktdesigner von Adidas, macht diese Shirts mit extra großem Bauchumfang. Der Widerspruch fällt hier nicht auf und ihr werdet die Teile los wie geschnitten Brot.
Andere Auffälligkeiten stehen noch unter Beobachtung.
Falls man es noch nicht rausgehört hat, ich will wieder nach Kanada. Wer hatte bloß die blöde Idee von San Francisco aus zurück zu fliegen.
Hier auf dem Campground gibt es einen Schuppen, den ein junges Pärchen in eine Art Campground Restaurant umfunktionieren wollen. Ist alles sehr rustikal, und vermutlich das einzige Restaurant in den USA, welches nur Cash, keine Karten, akzeptiert. Aber das Essen ist sehr lecker.
24.06.2015 durch den Glacier National Park
Als erstes habe ich mir jetzt endlich Bärenspray gekauft. Ich will demnächst auch einmal eine Wanderung in einem der Parks machen, vermutlich nicht hier, aber spätestens im Mt St Helens NP.
Und Montana, Washington und Oregon sind Bärenland. Also, auf Nummer sicher gehen, nicht dass sich andere danach ärgern, und etwas zur Beruhigung der Nerven mitnehmen. Ich glaube Bären, so wie Hunde, merken wenn man aufgeregt ist. Damit sollte also alles in Ordnung sein.
Dann habe ich mich auf den Weg zum Park gemacht. Am Eingang muss man erstmal löhnen. Für eine 7 Tages Karte als Radfahrer 12 Dollar. Die Jahreskarte kostet 80, aber ich glaube nicht, dass sich das noch lohnt. Nach meinen Berechnungen werde ich noch 3, maximal 4, Nationalparks besuchen.
Ich werde mich jetzt relativ kurz fassen. Sofort nach dem Betreten des Parks fallen einem die Augen aus dem Kopf. See, Berg, Schnee und Eis. Vom Feinsten.
Lediglich die Massen von Autofahrern und eine 4 oder 5 Meilen lange Baustelle trüben die Freude. Die Autofahrer teilweise schon ganz beträchtlich, zumal die Straße keinen Seitenstreifen hat. Man kämpft also immer um den meist wenigen Platz. An der Baustelle musste ich, mit ungefähr 100 Autos, eine halbe Stunde warten, bis der Gegenverkehr, auch 100 Autos, endlich durch war.
Egal. Der Park ist vom Feinsten. Ich muss mich wiederholen. Ich hoffe die Bilder können das ein bisschen sichtbar machen. Das Problem ist allerdings, dass man diesen Park erwandern muss, und zwar in mehrtägigen Hikes, die einem an die vermutlich wirklich grandiosen Spots bringen. Dafür bin ich nicht gerüstet. Eintägige Wanderungen ja, aber nicht mit Übernachtung.
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